Früher wurden im amerikanischen Automobilbau jedes Jahr wesentliche Änderungen
vorgenommen.
Wenn also z.B. von einem Cadillac die Rede ist, sollte auch im selben Atemzug
das Baujahr genannt werden. Nur so kann man sich ein Bild machen, um welches
Fahrzeug es sich handelt.

1959
…war das Jahr, in dem General Motors vor allem mit dem damals aktuellen Cadillac
den Flossengipfel erreichte.
Viele Amerikaner fanden diese enormen Auswüchse am Heck, die dem Chefdesigner
Harley Earl zuzuschreiben sind, wohl etwas übertrieben und so wurden im Jahr darauf
die Flügel wieder um einige Zentimeter gestutzt.
Natürlich gab und gibt es eine kleine Schar von Liebhabern, die sich gerade diesem
Design die Treue schworen und so blieb eine relativ große Anzahl dieser Exemplare
erhalten.
In diesem Modelljahr erblickte auch ich das Licht der Welt, noch unwissend, dass ich
mich bereits in frühen Jugendjahren zu diesen Fans gesellen werde.
Vor ca. 20 Jahren wurde mein Traum wahr!
Ich arbeitete damals als Glaser in einer Firma in München und ein heftiger Hagelschauer
gab mir damals die Chance, das nötige Kleingeld für meinen Traum zu erarbeiten.
Ergänzt mit einem zusätzlichen Bankkredit kaufte ich mir bei einem Händler in Koblenz
meinen 59er Cadillac. Ich war sofort verliebt in das Auto, obwohl ich noch wenig Ahnung
von dessen Technik hatte.
Der Tacho zeigte 35000 mls, kleine Rostbeulen an drei Türecken und am hinteren
Kotflügeleck. Dazu eine etwas sehr türkise Verkaufslackierung, passend zum
ausgebleichten original-blauem Interieur. Die Sitze waren leicht eingerissen und
abgewetzt, das Armaturenbrett mit Plüsch bezogen um die Risse abzudecken und der
Hupenring (eins der teuersten Ersatzteile) natürlich gebrochen.
,Hauptsache fahrbereit‘, dachte ich mir und mit einem 40-liter Kanister Wasser auf dem
Rücksitz (weil die Wasserpumpe leckte) begab ich mich auf die Heimfahrt.
Ich erinnere mich, dass ich noch stolz mit 120 Meilen, umgerechnet 200 Sachen einen
Rolls Royce überholte und mir die Beifahrerin lächelnd mit ihrem Nerzkragen zuwinkte.
Das war auch das erste und letzte Mal, wo ich mein Baby bis zum Anschlag trat.
Im Alltag und bei der Hinfahrt fuhr ich noch einen Opel D-Rekord Caravan doch das
Problem, einerseits zwei Autos finanziell unterhalten zu müssen und andererseits zur
Rückfahrt nach München zwei zu haben, hatte sich bereits bei der Hinfahrt zum Händler
erledigt: Der Rekord wurde von der Polizei wegen schlechter Bremsen und etlicher
Durchrostungen beschlagnahmt. Weil ich noch leichte Gleichgewichtsstörungen wegen
der vielen Überstunden in meinem Job hatte, war ich zusätzlich auch prompt als
drogenverdächtig untersucht worden.
Damals galt mein Baby eigentlich noch nicht als richtiger Oldtimer, sondern mehr als
spritsaufendes Ungetüm oder wahlweise als Zuhälterauto. Kurioserweise fuhr auch
tatsächlich in fast jedem deutschen Krimi der Bösewicht mit einem Amischlitten den
Cops auf und davon. Logischerweise konnte auch der deutsche Tüv nichts sympathisches
an mir und dem Wagen finden:

„Die Flossen müssen weg“, hieß es da sofort. „Viel zu gefährlich, wenn da ein
Radfahrer draufknallt….“
Selbst mein Versprechen, die armen Radler auch wieder abzustreifen, wenn die Spieße
voll wären, ließ sie nicht davon abbringen die Spitzen wenigstens mit Tennisbällen
abzudecken. Hab‘ ich mich was geschämt mit diesen Bällen, auch wenn’s damit nur alle
zwei Jahre ums Eck aufs Tüv- Gelände ging.
Natürlich mußte auch eine Schallmessung auf dem Lande gemacht werden, um schriftlich
festzuhalten, dass mein Baby nicht zu laut war. Eine sog. Panzerzündspule war ebenso
vonnöten, damit es keiner klauen und unauffällig damit entkommen konnte. Die guten
schönen Diagonal – Weisswandreifen wurden gegen Radiale ausgetauscht, Scheinwerfer
von Bosch nach DIN-Norm eingebaut (leuchten zwar nicht besser, aber deutscher),
die Blinkergläser gelb eingefärbt, die Kilometerskala auf den Tacho geklebt. Für die
übrigen Kfz-Daten musste ein amtlich beglaubigter Übersetzer konsultiert werden,
da man die amerikanischen Maßeinheiten in meinen Originalunterlagen nicht verstand.
Für ein kleineres vorderes Nummernschild (man bekam selbiges nur für hinten, obwohl
die Aussparungen in den Stoßstangen vorne wie hinten für die kleinen U.S. Kennzeichen
ausgelegt waren) war eine Ausnahmegenehmigung bei der Regierung von Oberbayern
erforderlich.
Als die Entamerikanisierung meines Caddys endlich abgeschlossen war, erhielt ich meine
deutsche Zulassung. Der ganze Papieraufwand kostete 500 DM, was vor 20 Jahren eine
Menge Geld war.
Später galt es dann auch noch eine ASU zu machen. Dabei wurde meine sorgfältige
Vergaser-Einstellung nach Werksdaten verdreht bis der Motor an ausnahmslos jeder
Ampel ausging.
Ein anderes Mal kam dann noch hinzu, dass die elektrischen Fenster bei abgezogenem
Zündschlüssel nicht funktionieren dürften, weil sich spielende Kinder damit
strangulieren könnten.
War ich froh, als Jahre später auch Oldtimer-Fans die roten Wechselkennzeichen
erwerben konnten!
Nun konnte ich mein Baby wieder original werden lassen!
Die von mir „sehr aufwendig“ betriebenen Restaurationsarbeiten werde ich ausführlicher
unter der Rubrik Restore meiner Webseite beschreiben.
Fertig restauriert und stolz auf mein Werk besuchte ich in der Folgezeit viele
Oldtimerausstellungen und U.S.-Car Meetings bei denen ich viel Anerkennung und
ausschließlich erste Preise gewann. Bei den Treffen lernte ich natürlich viele
Gleichgesinnte kennen, mit denen ich dann auch die American Classic Car Association,
kurz ACCA genannt, gründete. Unser Clubveranstaltete viele große Treffen bei denen
nur amerikanische Fahrzeuge bis Bj. 1965 zulässig waren.

Auch ein Cadillacsammler war von meinem Perfektionismus und der Liebe zum Detail
sichtlich angetan und ich restaurierte mehrere Jahre nur 1959er Cadillacs für ihn.
So weiß ich auch heute noch, wo die Schrauben beim 59er Caddy sitzen müssen...
Aber wie es im Leben so ist, verändert sich der Mensch und geprägt von privaten und
beruflichen Einflüssen verlagerten sich auch meine Interessen ein wenig.
Mein Baby ist mir zwar bis heute treu geblieben, jedoch bin ich immer weniger abgeneigt,
es gegen eine angemessene Summe in gute Hände abzugeben.

Bis dahin werde ich, auch wenn es nicht mehr so oft ist, bei schönem Wetter übers Land
cruisen und mich dabei wie in den 50er Jahren fühlen.
Zur Zeit vermiete ich es gelegentlich an Film und Fernsehen oder insbesondere für
Hochzeiten (mit mir als Chauffeur), um die Unterhaltskosten etwas zu schmälern.
Anfragen von Interessenten sind also über die Rubrik Contact jederzeit willkommen.
Die Hochzeitspärchen, die mit meinem Baby und mir zur Kirche oder Standesamt -
akustisch begleitet von Rock’n Roll und V-8 Sound schwebten - waren jedenfalls
allesamt begeistert und werden sich ein Leben lang an diesen Tag erinnern.
Auch technische Fragen beantworte ich - soweit es mir möglich ist - natürlich gerne.

In diesen Sinne: Keep on rollin,

Ronny